WM 2022

Schluss mit Turniermannschaft!

Entsetzen. Tränen. Unverständnis. Hohn. Ja, richtig - die deutsche Auswahl des DFB ist bei der Fußball-WM 2022 in Katar in der Gruppenphase gescheitert. Und schon redeten sich deutschlandweit alle U-Boot-Nationaltrainer (tauchen nur bei EM und WM auf), Stammtischpolemiker und Sportproleten in einen regelrechten Wahn. Man hätte doch ... man würde so ... oh, Leute! Ich schließe mich hier definitiv Johannes B. Kerner auf Magenta-TV an, der mit seinen Fachgästen klar sagte, dass das Thema „Turniermannschaft“ doch jetzt beendet sein müsse. Ja, defintiv – aber es ist weder ein sportlicher Untergang, noch eine Blamage oder das Ende allen Seins.

Die WM 2022, die keiner wollte – mal wieder!

Katar. Ein Land im arabischen Raum. Auf einer Halbinsel gelegen. Die Landschaft besteht aus Wüste und einem langen Küstenabschnitt. Doha befindet sich mit Next-Gen Wolkenkratzern als Hauptstadt an der Küste. Es ist eine regierte Monarchie, in welcher der Islam die Staatsreligion bildet und die Scharia eine Hauptquelle der Gesetzgebung ist. Es wurden neue Stadien gebaut. Es sind Menschen dabei gestorben. Und vor all dem steht diese dubiose Doppel-Wahl für die WM-Austragungsorte 2018 und 2022 der FIFA. Man liest immer von Mafia, Boykott, Quoten-Einbrüche, Menschenrechte, die Star-Allüren des CR7, Bierverbot ... wer soll sich hier noch auf Fußball konzentrieren? Im Vorfeld gab es mehr Politik zu bewältigen – erst recht für unsere DFB-Auswahl.

Im Vorfeld wurde über wirklich alle Kanäle alles schlecht gemacht, was man hätte schlecht machen können: Es ging schon los mit der Auswahl, welche mitgenommen wird. Bierverbot wurde derart breit getreten, dass man als nicht Fußball-Fan den Eindruck bekommen musste, es geht da nur ums Saufen, wenn kein Spiel läuft. Dann Trainings-Shirts. Dann Fahnen. Dann Armbinden. Dann die Rede des FIFA-Chefs Infantino. Strafandrohungen. Der wahre Gott des Fußballs hatte mit Sicherheit mehr als einen Facepalm-Moment und dachte sich auch nur: "boah, pfeift endlich an - es geht um Sport!" Aber genau das ist das Problem: Hier waren derart viele Einflüsse am Werk, dass man immer den Eindruck hatte, man müsse jetzt Partei ergreifen und sich beschweren. Man müsse sich empören. Sonst wäre man ja kein Mitteleuropäer im Jahre 2022. Ich habe den Eindruck, Nostradamus gab für 2012 eine Handlungsmpfehlung – keine Voraussage. Aber zurück zum Sport ...

Im Forum dieses Fußballmanagers schrieb jemand: „Diese WM findet in einem fremden Kulturkreis statt. Ich weiß nicht, woher die Erwartungshaltung kommt, dass eigene Gepflogenheiten selbstverständlich zu sein haben. Ich finde das sehr, sehr schade ... darf es dort jetzt auch nur noch Schnitzel und "Pommes Schranke" geben? Die Menschen dort leben anders als der typische Europäer. Irgendwann muss man auch mal respektieren und reflektieren, dass das voll okay ist. Gut ... gibt kein Bier! Aber reist man dafür zu einer WM???“ Und zwischen Lebkuchen, Glühwein und Weihnachtsmärkten schimmerte immer wieder das Grün aus einem Fernseher: Der Anpfiff zur Auftaktpartie zwischen Katar und Ecuador war am 20.11.2022 – es endete unspektakulär 0:2. Aber: Die WM war gestartet. Und ziemlich jede Person fieberte siegessicher dem ersten Gruppenspiel der deutschen Mannschaft entgegen. „Pah, die Japaner schicken wir 3:0 vom Platz – mindestens!“ höhnte man überall. Und wie sehr man sich doch über Argentinien lustig gemacht hatte, die gegen Saudi-Arabien überraschend verloren. Erfrischend, was die Japaner auf dem Platz zeigten – und unsere Auswahl verlor ebenso ihr Auftaktspiel. Domo arigato. Und dann passierte, was vorher auch ständig passierte: Fleischwolf via social media. Denn sehrwohl alle fühlten sich motiviert genug, die eigene Plauze vorm TV wegzuschieben und das Handy zu bemühen. Sich abermals zu empören. Und Tipps zu geben, was man hätte anders machen müssen. Ja, jeder mit Handy ist selbstredend vom Fach – „Mensch, Herr Flick, beachten Sie doch mal diese ganzen wertvollen Postings!“ Hier ist meiner, und ich bin nicht der Fußballgott: *facepalm*

1:2. 1:1 und 3:1. Damit schied Deutschland aus. Vermeintlicher Weltuntergang. Das Anspruchsdenken des heimischen Fußballfans ist, dass sich eine zusammen gesteckte Mannschaft in einem Turnier findet und dann aus allen Rohren schießt, was auf dem Fußballplatz eben zu schlagen gilt. Das sind vier von 9 möglichen Punkten. Und das böse, böse Spanien hat dann auch noch gegen die Japaner verloren. Ein taktisches Verhalten, was wir alle aus Phasen der internationalen Pokale bereits kennen, als diese alberne Auswärtstorregel noch aktiver Bestandteil war. Das Taktieren nach den Folgemöglichkeiten – und wer dann als Nächstes auf dem Zettel stünde, wenn man weiter kommt. Hat Spanien alles richtig gemacht? Ja. Die Japaner als Gruppensieger sowieso – wählte man darüber doch dann den schwereren Weg ins Finale. Und was passierte? Richtig: Wieder pöbelten die Empörten drauf los, dass Spanien doch extra verloren habe, um Deutschland aus dem Turnier zu werfen. Natürlich! Wer bei klarem Verstand hätte einen viermaligen Weltmeister nicht auf diese Weise bequem aus dem Turnier gekegelt?! Dieses Turnier ist eine Weltmeisterschaft. Man spielt den Titel „Weltmeister“ für die nächsten vier Jahre aus. Und die Weltmeisterschaft, liebe Empörten, – gilt auch für die Europameisterschaft – ist die Endrunde. Alle Teams, die sich für diese Endrunde qualifiziert haben in ihren Regionen erfolgreich gegen andere Nationen durchgesetzt. Die AFC in Asien, die CAF in Afrika, die CONCACAF in Nord-, Mittelamerika und der Karibik, die CONMEBOL in Südamerika, die UEFA in Europa und die OFC in Ozeanien – das sind die Konföderationen der FIFA. Wo waren denn fußballaffine Länder wie Italien oder die Türkei? Und wo waren die Norweger mit Superstar Erling Haaland?! Genau - gar nicht dabei. Nicht qualifiziert. MIt anderen Worten: Bei der Endrunde sind nur Teams, die es verdient haben – und die alle, verdammt nochmal, Kicken können. Und dann schlägt ein bockstarkes, kampfstarkes und laufstarkes Japan eben auch ein angeschlagenes, nicht eingespieltes Deutschland. Das ist Fußball. Da messen sich zwei Teams ... und Deutschland erreichte das Achtelfinale nicht. Nein, kein Weltuntergang ...

Irrsinn! ... wegen WM-Aus!

Nach Abpfiff und einem soliden 4:2 Sieg gegen Costa Rica – tapferer Gegner und zurecht bei der WM 2022 – stellt sich Thomas Müller, Spieler beim FC Bayern München und schon viele Jahre Nationalspieler, vor die Kamera und spricht in einer Weise zu den Fans, dass ich gedacht habe: WTF?! Abschiedsgedanken??? Weil die anderen auch Kicken konnten??? Uff ... es folgte Joshua Kimmich, ebenso FC Bayern München, welcher mehr als niedergeschlagen war und keinen Hehl daraus machte, dass er mehr als einen Tag bräuchte, um das als Leistungsspieler verarbeiten zu können. Kommt schon!!! Natürlich ist eine WM immer eine tolle Chance, ein tolles Turnier oder auch schönes Schaulaufen (Diva CR7, right?) – und ihr habt gespielt, was in der Konstellation gegen diese Gegner möglich war. Habt – ich zitiere Oliver Kahn aus längst vergangenen Zeiten – „Eier“ gebraucht und gegen Spanien bewiesen ... aber nochmal: Auch die anderen Teams haben ihre Möglichkeiten. Ihre Top-Player. Ihre Fighter. Es war eben nicht mehr möglich. Mehr war nicht drin und mehr konnte nicht drin sein – meine Meinung! Das ist schade, aber so ist der sportliche Vergleich eben schon immer gewesen. Oliver Bierhoff ist u. a. auch darum zurückgetreten. Warum? Kommt jetzt „Auch in 2018 war nach der Gruppenphase Schluss“? Da ist Schluss mit Turniermannschaft? Eine benötigte Konsequenz? Gefordert? Welch Fluktuation wir in anderen Institutionen hätten, würde man direkt Stühle räumen, wenn ein Vergleich fehl schlägt. Aber nun ...

Werte DFB-Auswahl für die WM 2022, an dieser Stelle einfach DANKE. Ich habe dennoch eure Spiele geschaut. Ich habe mit euch gekämpft. Gejubelt. Geflucht. Gefuchtelt. Gestikuliert. Gegrummelt. Gebangt. Gelacht. Gewonnen – aber auch verloren. Solide Rückendeckung ist in der Niederlage genauso wichtig wie im Kantersieg gegen Teams ohne Fußballherz. Und bei einer WM haben alle Teams ein Fußballherz. Ihr mögt vielleicht glauben, dass euch das Turnierglück verlassen hat – das mag sein –, aber ich bin mir sehr sicher, dass ihr, als deutsche Fußballbotschafter, auch weiterhin bei Endrunden für EM und WM dabei seid. Ihr nehmt bald wieder euer Fußballherz in beide Hände – findet den neuen, gemeinsamen Teamgeist. Und dann stört sich auch niemand mehr an Italien in einem Turnier. :) Ein großes, ehrliches Dankeschön ... also hoch die Köpfe! Nehmt die Lektion dieser WM an – und weiter geht's! Schluss mit Turniermannschaft? Nein - so gar nicht.

Bis zur nächsten Grätsche ...

Sascha aka SteelWheel

fussball:xxl

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